7. Europäischer RETT SYNDROM Kongress Marseille 2023

7. – 8.  Oktober 2023

Der Kongress war im World Trade Center von Marseille anberaumt, ca. 150 Personen besuchten die Konferenz (davon ca. 30 Familien aus Frankreich), welche zwar wenig Vorträge hatte – im Vergleich zu vorangehenden Europäischen Kongressen, vielleicht wirkte sie deshalb sehr familiär. Wissenschaftler, Familien und auch 4 Rett-Mädchen waren beim Kongress anwesend.

Im Foyer des World Trade Centers konnte man sich die Ausstellung von Fotografin Audrey Gyon anschauen, in der die Fotografin mit 10 Porträts bedeutende, mit Rett Syndrom zusammenhängende Ereignisse im Leben ihrer Tochter Eleonore darstellte.

Des Weiteren war dort auch ein Stand von Therapeuten zu finden, die aufzeigten, mit welchen Materialien sie im Zusammenhang mit Kommunikation und Alphabetisierung arbeiten.

In einem Poster-Walk wurden verschiedene Forschungsarbeiten kurz dargestellt. Wie beispielsweise eine Studie mit dem Titel „Pipeline von Forschungs- und Übersetzungsaktivitäten zur Steigerung der körperlichen Aktivität im Rett Syndrom“, Physiotherapie und Rett Syndrom in Dänemark oder die Ergebnisse aus einer Scoping Review zum Thema Faktoren, welche die Gesundheit von Eltern mit Rett Syndrom Kindern beeinflussen.   

Eröffnet wurde die Konferenz vom Präsidenten der Französischen Rett Syndrom Gesellschaft, Julien Fieschi. Er wies darauf hin, wie wichtig es sei, in Europa zusammen zu arbeiten, um mehr bewegen zu können und welche große Bedeutung in diesem Zusammenhang diese zweijährig stattfindenden europäischen Konferenzen haben. Bei diesen sind insbesondere die UPDATES von wissenschaftlichen Erkenntnissen von großer Relevanz. Auch, dass Frankreich nun nach 4-jähriger Pause, bedingt durch Covid 19 Pandemie (der letzte in Person Kongress war 2019 in Tampere, Finnland) die Ehre hat, die Tradition der Kongressreihe fortzusetzen.

Im Anschluss sprach via Video Botschaft Fadila Khattabi, Frankreichs Ministerin für Gesundheit und Personen mit Beeinträchtigungen, über die Bedeutung und politische Verantwortung des Staates, sich auch in besonderer Weise um die Anliegen von Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu kümmern.

Anne-Sophie LAPOINTE vom Ministerium für Gesundheit und Prävention, wies auf Probleme, wie Diagnosefehler, begrenze Informationen, geographische Verteilung und den Zugang zu Behandlungen im Kontext mit seltenen Erkrankungen hin. Zeigte die Bemühungen der Regierung auf und gab einen Überblick über den nationalen Plan für seltene Krankheiten 3 und Ausblick auf den nationalen Plan für seltene Krankheiten 4 im Jahr 2024.

Die Maßnahmen des dritten nationalen Plans und die Aussichten des künftigen vierten nationalen Plans zum Thema Gesundheitsdaten liegt Frankreich besonders am Herzen, um Ihnen eine führende Position in Europa hinsichtlich Seltene Erkrankungen zu sichern.

Der Weltplan „Lebenslauf und Pflege“ von den europäischen Mitgliedsstaaten beinhaltet folgende Punkte:

  • Eine Verbindung zum städtischen Krankenhaus
  • Neugeborenen-Screening
  • Information und Ausbildung der Betroffenen, der Angehörigen und des Personals
  • die Verbreitung dieser Politik für Seltene Krankheiten in den Ländern der EU
  • Austausch von Gesundheitsdaten Frankreichs mit Europa im Rahmen der gemeinsamen Aktion „JARDIN“ zur Integration europäischer Referenznetze (ERN) in die Gesundheitssysteme
  • PNMR = Plan National Maladies Rare =  55 Aktionen müssen insgesamt umgesetzt werden.

Ein eigenes RETT-Center gibt es nicht, diese sind integriert in Kliniken, welche sich auf seltene Krankheiten spezialisiert haben.

Rebecca Jenner, Präsidentin der RSE, stellte die Vorstandsmitglieder der Amtsperiode 2020-2023 vor. Zu erwähnen gilt, dass es in der nächsten Amtsperiode zu Veränderungen kommt.   Stella Peckary, ordentliches Mitglied seit 2017, Kassier in 2. Amtsperiode 2020-2023 verlässt die RSE. Laura Kanapieniene, Volontärin bei RSE seit 2017, Secretary seit 2020, verlässt RSE aus beruflichen und familiären Gründen, bleibt jedoch als Volontärin RSE erhalten. Sandrine Eifermann-Soutarsson, ordentliches Mitglied seit 2020 verlässt RSE aus beruflichen und privaten Gründen. Im Anschluss an die Konferenz fand am Sonntag die Generalversammlung der RSE statt, bei der 3 neue Mitlieder, die sich schriftlich beworben hatten, in den Vorstand gewählt wurden. 

Des Weiteren ging es in Ihrem Vortrag um die allgemeinen Ziele der RSE:

  • Vertretung der Interessen von Menschen mit Rett-Syndrom und ihren Familien in den speziellen Bereichen
  • das Rett-Syndrom in der Öffentlichkeit besser bekannt zu machen
  • die Kommunikation innerhalb der europäischen Rett-Gemeinschaften zu verbessern
  • als repräsentative europäische Organisation die Interessen von Menschen mit Rett-Syndrom zu fördern
  • E-Newsletter
  • ½ jährliches Online-Meeting

Pedro Rocha, Rett Sindroma Spanien, stellte die in der Endphase befindliche Datenbank RETT DATABASE vor. Er definierte dieses Patienten Register als eine Sammlung von standardisierten Informationen über eine Gruppe von Personen, z. B. über Personen, die mit derselben Krankheit leben. Das Patienten Register für seltene Krankheiten wird benötigt, um die gesamte Gemeinschaft, zu der Patienten, Betreuer, Kliniker, Forscher und die Industrie gehören, zusammenzubringen.  Es soll helfen, die Herausforderung zu bewältigen, genügend Menschen zu finden die für eine Teilnahme an Forschungsstudien in Frage kommen. Es bedarf einer Entwicklung eines Open-Source-Patientenregisters mit mehrsprachiger Unterstützung, das von jeder Gemeinschaft für seltene Krankheiten genutzt werden kann.

Kathie Bishop (USA) – ACADIA – Trofinetide für die Behandlung von Rett Syndrom.  DAYBUE ist das erste und einzige Medikament, das für die Behandlung des Rett-Syndroms bei Erwachsenen und jugendlichen Patienten ab einem Alter von 2 Jahren zugelassen ist. Im Juli 2023 erwarb Acadia die weltweiten Rechte an Trofinetide von dem Pharma-Unternehmen Neuren.  Acadia plant, in Großbritannien und der EU die Zulassung von Trofinetide zur Behandlung des Rett-Syndroms bei EMA (European Medicine Agency), zu beantragen. Sie haben diesbezüglich bereits einen Plan und beginnen alsbald Gespräche mit den Regulierungsbehörden, u.a. um zu klären, ob die bestehende Datenbasis ausreicht. Zudem möchten sie eng mit europäischen Ärzten und Interessenverbänden zusammenarbeiten.

Edeline Siqueira (Barcelona, Spanien) berichtete in Ihrem Vortrag – Dysregulation beim Rett-Syndrom: Aufdeckung pathologischer Mechanismen und therapeutisches Potenzial – von Forschungsergebnissen, bei denen das Rett-Syndroms in einer Schale künstlich modelliert wurde.

Jane Lunding Larsen (Kopenhagen, Dänemark) schildert in Ihrem Vortrag eine qualitative Studie aus Sicht von Eltern mit einem Rett-Syndrom Patienten, und gibt Einblick in eine Studie, bei der 20 Rett-Eltern zum Thema Fürsorge über mehrere Jahre befragt wurden. Zusammenfassend ergab die Studie folgendes: Ein Elternteil einer Person mit RETT-Syndrom zu sein ist etwas, das mehr als eine bedingungslose elterliche Liebe erfordert, da ein Teil dieser Elternrolle auch tatsächliche Arbeit beinhaltet – oft 24/7. Die Eltern tragen eine lebenslange Verantwortung und eine ständige Sorge um ihr Rett Kind. Es ist wichtig, sich auf die psychische Gesundheit der Eltern zu konzentrieren und sie dabei zu unterstützen, eine lebenslang tragfähige Elternrolle zu entwickeln und aufrechtzuerhalten.

Jeffrey Neul (USA) berichtete in seinem Vortrag: „Von der Entdeckung von Genen bis hin zu klinischen Studien: Wie sich klinische und Grundlagenforschung überschneiden, um neue Therapien für Retter zu entwickeln und zu testen“. Zu Beginn stellte er noch einmal kurz die vier Phasen des Rett-Syndroms vor und wie es verursacht wird, bevor er dann von verschieden Studien wie beispielsweise der Umkehrung neurologischer Defekte in einem Mausmodell mit Rett-Syndrom berichtet. Sollte sich jemand darüber mehr informieren wollen, so empfiehlt es sich, sich den Vortrag von der RSE Conference im März mit deutschen Untertiteln auf dem ÖRSG YouTube Channel anzuschauen.  https://youtube.com/@Rett-SyndromAustria

Mathieu Milh (Marseille) widmete sich in seinem Vortrag dem Thema Epilepsie und Rett Syndrom. Um sicher zu gehen, dass es sich tatsächlich um Krampfanfälle handelt, bedarf es der Beantwortung vieler Fragen:  wie hat es angefangen, was waren auslösende Faktoren, wie war der Rhythmus des Schüttelns/der Zuckungen, die Beteiligung der Gesichtsmuskulatur, gab es stereotype Anzeichen und wie war der Endmodus. In diesem Zusammenhang wies er auch darauf hin, dass es für Ärzte sehr hilfreich ist, wenn dazu ein Video des Anfalles gezeigt werden könnte. Zudem rät er zur Vorsicht ein abnormales EEG nicht sofort mit Epilepsie gleichzusetzen.

Jan-Marino Ramirez (USA)berichtete in seinem Vortrag von Funktionsstörungen und unregelmäßiger Atmung beim Rett Syndrom. Bei Interesse zu diesem Thema, möchte ich auf seinen Vortrag bei der RSE Conference im März mit deutschen Untertiteln hinweisen. Zu finden auf dem ÖRSG YouTube Channel. https://youtube.com/@Rett-SyndromAustria

Karen Spruyt (Frankreich)widmete sich in Ihrem Vortrag den Atmungs- und Schlafstörungen. Was kann man bei Auftreten tun und wen kann man kontaktieren? Sie empfiehlt ein Schlaftagebuch zu führen mit Schlafenszeiten, Aufwachzeiten, Dauer der Wachphasen etc., den Arzt zu kontaktieren und mit diesem die aktuellen pharmazeutischen Behandlungen zu besprechen. Auch, einen medizinischen Check zu machen in Bezug auf Eisen, Ferritin und Transferrin usw… Im Zusammenhang mit Schlaf sei es wichtig für Eltern darauf zu achten, dass das Bett nur zum Schlafen da ist, Abendrituale etabliert werden wie z.B.  Licht/kein Licht etc.. Sie wies auch darauf hin, dass das Aufwachen in der Nacht auch mit der Atmung und den Handstereotypien zusammenhängen kann.     

Gill Townend (UK)stellte in Ihrem Vortrag die Kommunikationsrichtlinien für das Rett-Syndrom vor – eine unschätzbare Ressource für Menschen mit Rett-Syndrom. Diese Leitlinien enthalten wichtige Empfehlungen, um Pflegekräfte und Kommunikationsfachleute bei der Förderung der Kommunikationsentwicklung für diejenigen zu unterstützen, die von dieser seltenen genetischen neurologischen Störung betroffen sind. Das Rett-Syndrom beeinträchtigt die Sprache, den Gebrauch der Hände und die Koordination erheblich, was diese Leitlinien zu einem wesentlichen Instrument macht, um die Lebensqualität zu verbessern und einen effektiveren Ausdruck zu ermöglichen. Die Kommunikationsrichtlinien sind in vielen Sprachen erhältlich, ein kurzer Auszug daraus auch in Deutsch.

Meir Lotan (Israel) und seine Ausführungen zum Thema Physiotherapie und Motorik waren wie immer interessant uns sehr motivierend. Wir können jedem nur empfehlen, sich auch das Video von Meir Lotan auf dem ÖRSG YouTube Channel anzuschauen.  LINK einfügen

Die Kernaussagen seines Vortragslauten: Bewegung ist Leben, es ist wichtig, den Rett-Patienten die Angst vor der Bewegung zu nehmen beispielsweise durch Schaukeln und Wippen, immer mit starker Motivation arbeiten, z. B. Fernsehen oder Videos, oder Musik

Je jünger der/die Patient/in, desto mehr Erfolgschancen, aber auch ältere Damen, welche früher einmal gehen konnten, können dies wieder erlernen.

Es waren noch viele weitere Vorträge über Gentherapie, Stammzellenforschung, Atmung, Historischer Verlauf des Rett-Syndroms, … Über diese hier ausführlich zu berichten, würde den Rahmen sprengen. Die Kongressveranstalter (AFSR) haben sich bereit erklärt, die Vorträge online zu stellen. Wir werden darüber gerne informieren. Sollte jemand noch weitere Fragen zum Kongress oder zu Themen daraus haben dann kommt bitte einfach auf uns zu.

Für Euch beim ERCD dabei: Tanja Rovagnati, Stella, Gerhard und Vanessa Peckary

vlnr: Claude Buda (RSAA), Tanja Rovagnati, Stella und Gerhard Peckary mit Vanessa

Save the Date:  9. Weltkongress Rett-Syndrom 2.-5. Oktober 2024 in Gold Coast, Queensland, Australien

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