Rett Syndrom: Internationale ExpertInnen tauschten sich zu tiefgreifender Entwicklungsstörung aus
Univ.-Prof. Dr. Michael Freilinger, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Med Uni Wien, und sein Kollege Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Mag. DDr. Peter Marschik, Institut für Physiologie der Med Uni Graz, organisierten gemeinsam mit weiteren nationalen und internationalen KollegInnen einen internationalen Kongress anlässlich des 50. Jubiläums der ersten wissenschaftlichen Publikation über das Rett-Syndrom.
Unter dem Titel „International Rett Syndrome Conference RTT 50.1“ trafen sich ausgewiesene ExpertInnen zu dieser tiefgreifenden Entwicklungsstörung vom 15. bis zum 17. September 2016 in Wien, um neueste Forschungserkenntnisse auszutauschen und neue Ideen zur Entwicklung klinischer und grundlagenwissenschaftlicher Fortschritte zu diskutieren. Auch Patientinnen und deren Eltern nahmen am Kongress teil.
Der Wiener Neuropädiater Andreas Rett beschrieb das Rett Syndrom erstmals im Jahre 1966 im Rahmen einer wissenschaftlichen Publikation. An der Medizinischen Universität Wien werden Patientinnen mit Rett Syndrom und klinisch orientierte Studien in der Neuropädiatrie von Michael Freilinger betreut.
Die gesamte internationale Konferenz stand ganz im Zeichen der Erinnerung an Prof. Rett, seinem Schaffen, seinem Vermächtnis an die Wissenschaftler und Eltern, seiner Liebe zu den Rett-Mädchen (-Buben) und dem, was in den letzten 50 Jahren auf dem Gebiet geforscht, wurde.
Auch diesmal war das Motto „Live – Love – Learn“, unter welchem es bereits bei der 5. Internationale Jahreskonferenz der IRSA stand, an dem Prof. Rett damals teilnahm. Seinem Wunsch, einer großen, weltweiten RETT-Familie, dem gemeinsamen schweren Leben, der gemeinsamen Liebe und dem gemeinsamen Lernen, wurde Rechnung getragen: Etwa 180 internationale Teilnehmer der Wiener Konferenz, die sich aus Wissenschaftlern, Eltern, Betreuern, Therapeuten und Rett-Kindern zusammensetzte, bildeten so eine weltumspannende RETT-Familie.
Die Begrüßung im Wappensaal des Wiener Rathauses unterstrich den besonderen Anlass des Kongresses. Unter dem gediegenen, historischen Ambiente würdigten Vertreter der österreichischen Regierung und der Ärzteschaft die Verdienste der Wissenschaft aber auch der Elternvereine auf dem Gebiet des Rett-Syndroms.
Ein historischer Rückblick vom „Entdecken“ des Rett-Syndroms, persönlichen Erinnerungen an Prof. Andreas Rett, Ansätzen und Ergebnissen seines Forschungsauftrages hinsichtlich der Genetik wurden vor allem von Alan Percy, aber auch von Germaine Weber, Folker Hanefeld, Yoshiko Nomura um nur einige der vielen engagierten Wissenschaftler zu nennen, geboten.
Interessante Einblicke in die Erforschung der frühkindlichen Biomakers von Rett-Syndrom gaben Christa Einspieler, Peter Marschik und Florian Pokorny von der Medizinischen Universität Graz.
Wie viel unsere Kinder zu sagen haben, wurde durch das Thema Kommunikation „Sie sprechen mit den Augen“ hervorgehoben. Mit Hilfe modernster Technologien (Augensteuerung – „Eye Gaze“) wird ihnen Stimme gegeben.
Da auch Vertreter der Firma Tobii Dynavox und der gemeinnützigen Organisation LIFEtool Linz vertreten waren, konnte dies von anwesenden Rett-Kindern vor Ort ausprobiert werden.
Gillian Townend vom Maastricht Expertise Center führt zurzeit eine weltweite Umfrage mithilfe der Rett-Elternvereinigungen durch. Damit soll herausgefunden werden, welche Kommunikationsziele nun gesetzt werden müssen. Hinsichtlich der sozialen Faktoren, welche die Kommunikation beeinflussen, wird sie dabei von Anna Urbanowicz sowie Gerna Scholte unterstützt. Gerna Scholte beschäftigt sich mit Annäherung an Unterstützte Kommunikation von Rett-Syndrom Kindern im frühesten Kindesalter.
Unter dem Vorsitz von Franco Laccone wurde von Forschungen auf dem Gebiet der Genetik, von hervorragenden Genetikern, wie Anna Gandaglia, Guiseppe Valacci, Daniela Ackerbauer, und andere, berichtet.
Besonders beeindruckend war der Vortrag von Huda Zoghbi. Sie entdeckte 1999 das MecP2, welches für das Rett-Syndrom verantwortlich ist. Die Ärztin berichtete von ihren Erfahrungen des ersten Zusammentreffens mit einem Rett-Mädchen und dem bis heute andauernden langen, schwierigen Weg der Forschung auf diesem Gebiet, so dass das Auditorium mit Tränen in den Augen ihrem Vortrag mit standing ovations dankte.
Auch Kathy Hunter, die „Mutter“ der Rett-Elternvereine, erzählte von den ersten Zusammentreffen Ende der 1970er betroffener Mütter am Küchentisch, und wie daraus eine weltumspannende Rett-Familie wurde. Ganz im Sinne von Andreas Rett.
Den Abschluss dieser Veranstaltung bildeten kurze Grußbotschaften von europäischen Rett-Vereinen, sowie von der australischen, welche der Hoffnung und dem Glauben an die Zukunft sowie der Liebe zu unseren tapferen Rett-Kindern Ausdruck gaben.
“Die Kraft, welche von unseren Rett-Kindern ausgeht, gibt uns allen die Stärke weiter gegen diese Krankheit zu kämpfen.“
Besonderer Dank gilt den Organisatoren dieser Konferenz, Michael Freilinger und Peter Marschik, welche sehr eng mit dem Rett-Syndrom verbunden sind.
Aus deren Idee wurde ein unvergesslicher, unvergleichbar bewegender Rett-Syndrom Kongress, der gezeigt hat, wie eng Ärzte – Wissenschaftler – Therapeuten – Eltern – Datenbanken zusammenarbeiten, damit als weltweite „RETT-Familie“ unseren Kindern geholfen werden kann.
Stella Peckary