Elektronische Hilfsmittel zur Interaktion (für spielerische Ursache-Wirkungs-Erfahrungen)
Kinder mit Rett-Syndrom haben in vielen Entwicklungsbereichen entscheidende Einschränkungen, z.B. ist der Zusammenhang zwischen Ursache (ich mache etwas) und Wirkung (etwas Anderes passiert) nicht klar.
Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln und das Adaptieren von elektronischem Spielzeug sowie elektronischen Geräten kann in der (Früh-)Förderung von Rett- Kindern eine wichtige Rolle spielen. Die Grundidee dabei ist, Spielzeug oder Haushaltsgeräte so zu adaptieren, dass selbst Kinder mit schwerer körperlicher Beeinträchtigung die Gelegenheit bekommen, beim Spielen in der Gemeinschaft und im Alltag eine aktivere Rolle zu übernehmen. Dazu sind zwei Hilfsmittel hilfreich: Batterieunterbrecher und Powerlink.
Batterieunterbrecher
Ein Batterieunterbrecher ist ein einfaches Hilfsmittel, um batteriebetriebenes Spielzeug auch für Menschen mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen zugänglich zu machen.
Das Leiterplättchen wird im Batteriefach zwischen Batteriekontakt und Batterie geklemmt und das andere Ende des Kabels mit einem Taster verbunden. Solange der Taster gedrückt wird, kann der Strom fließen und das Spielzeug tritt in Funktion (Musik machen, grunzen, laufen, Schwanz-wackeln … usw.). Wird der Taster nicht mehr gedrückt, fließt kein Strom mehr, dh das Spielzeug steht still. Dies ist eine ganz unmittelbare Ursache-Wirkungs-Erfahrung, die mit minimalem Einsatz allen Beteiligten richtig Spaß und Freude bringt.
Simplyworks CONTROL PRO
Ist es dem/der BenutzerIn nicht möglich, länger auf einen Taster zu drücken, kann der „Simplyworks CONTROL PRO“ dazwischen geschaltet werden.
Damit verändert sich die Funktionsweise: das Spielzeug wird nach dem Drücken auf den Taster für die eingestellte Anzahl von Minuten/Sekunden eingeschaltet. Nach Ablauf der gewählten Zeit schaltet sich das Gerät aus. Um das Spielzeug wieder zu aktivieren, muss der Taster wieder betätigt werden. Somit wird das Kind motiviert, die Taste nochmal zur betätigen und damit die Ursache-Wirkungs-Abfolge gefestigt.
Mögliche Geräte für Batterieunterbrecher:
Batteriebetriebene Spielzeugtiere (die sich bewegen und Geräusche machen), batteriebetriebener Handventilator, batteriebetriebenes Blaulicht, batteriebetriebene Seifenblasenmaschine, …
Die Möglichkeiten der Anwendung sind vielfältig. Am besten funktionieren diese Spielsachen, die nur mit einem Ein-Ausschalter bedient werden!
PowerLink
Das PowerLink-Gerät funktioniert nach dem gleichen Prinzip, nur für Netzstrom-betriebene Geräte; es können damit zwei Geräte bedient werden. Verbinden Sie den PowerLink mit der Steckdose und stecken an den Powerlink eine Lampe an. Nun schalten Sie die Lampe an (es passiert noch nichts) und verbinden Sie einen Taster mit dem PowerLink. Erst wenn der Taster gedrückt wird, kann der Strom fließen und die Lampe leuchtet. Auch hier gibt es u.a. die Einstellungen „direkt“ oder „Timer“ wie beim Batterieunterbrecher.
Mögliche Geräte für den PowerLink:
Lampen, Lichtschlangen, Blubbersäulen, Fußssprudelbad, Ventilator, Küchenmaschine (für Shakes, Kuchenteig, …), Seifenblasenmaschine, Radio, Haarfön (z.B. zum Ausblasen der Geburtstagskerzen), …
Für PowerLink gibt es im Buch AUGENBLICKE einen großen Artikel , was damit alles bedient werden kann – Kapitel “Mit einem Taster die Welt entdecken”.
Nicht-technische Kommunikationshilfsmitteln mit Symbolen und Fotos
Das Tagebuch/Mitteilungsbuch
Mithilfe eines solchen Buches mit Symbolen können Menschen mit Rett-Syndrom persönliche Erlebnisse für den kommunikativen Austausch verfügbar machen, z.B. in Form von Symbolen/Fotos.
Das ICH-Buch
Ein ICH-Buch ist eine Beschreibung der individuellen Merkmale und Besonderheiten, also alle Informationen über die betreffende Person. Vor allem für nichtsprechende Menschen bietet das ICH-Buch eine wichtige Informationsquelle für Bezugspersonen, sollte aber vor allem viele Kommunikationsanlässe mit der/dem Betroffenen bieten.
Mehr dazu finden Sie in den LIFEtool-UK-Tipps zu den Themen “ICH-Buch“/”ICH-Buch am Papier und digital” und “Tagebuch“.
Kommunikationstafeln, -bücher, -schürzen oder einzelne Bild- oder Wortkarten u.v.m.
Menschen mit Rett-Syndrom stehen oftmals vor der großen Herausforderung, dass eine direkte Auswahl der Bildsymbole durch die Hand nicht bzw. nicht immer möglich erscheint. Durchsichtige (laminierte) Blicktafeln, bei denen das Gegenüber erkennen kann, auf welches Bild/Symbol der Blick zeigt, haben hier in der Praxis schon viele wertvolle Dienste geleistet.
Sogenannte Blicktafeln können eine gute Hilfe sein, nur mithilfe des Blickes aus verschiedensten Auswahlmöglichkeiten das Passende zu finden.
Technische Hilfsmittel wie Computer & iPad (bzw. Tablet-PCs)
Lernen & spielen am Windows-PC
Dank Spezialsoftware für Windows-Rechner, die meist auch mit Taster oder Augensteuerung bedienbar sind, ist auch Rett-KlientInnen das Spielen und Lernen am Computer möglich.
Mit den ersten Spielen erkennen sie dadurch Ursache-Wirkung, später können auch Lerninhalte am Computer vermittelt werden. So bietet sich auch für Rett-Kinder die Möglichkeit, Spaß am Computer zu haben, Lernerfahrungen zu machen, zu zeigen was sie können und somit neue Lernangebote zu bekommen!
Für die Verwendung von Tastern am PC benötigt man einen Adapter, dieser wird via USB-Stecker mit dem PC verbunden, an dem Adapter können dann Taster angeschlossen werden. Damit können passende Lernprogramme bedient werden.
Lernen & spielen am iPad
Auch mit einfachen Apps am iPad kann das Prinzip Ursache-Wirkung geübt werden.
Hier seien nur beispielhaft folgende Apps genannt:
- TouchMe Hokus-Pokus
- TouchMe Puzzle Klick PRO (super mit persönlichen Bildern/Videos)
- BigBang Pictures/Patterns
- SoundTouch (Tiere, Musikinstrumente, Fahrzeuge, …)
- VideoTouch (Tiere, Musikinstrumente, Fahrzeuge, …)
Ein wichtiger Tipp beim Einsatz des iPads ist die Verwendung des sogenannten „Geführten Zugriff“!
Einfache Sprachausgabegeräte – sprechende Taster
Ein sogenannter sprechender Taster gibt beim Auslösen eine abgespeicherte Sprachmitteilung oder ein Geräusch wieder. Die Mitteilung kann jederzeit neu aufgenommen und der Situation angepasst werden. Wird ein Step-by-Step-Taster verwendet, können auch mehrere Mitteilungen hintereinander wiedergeben werden, so dass z.B. eine kleine Geschichte oder ein Dialog entstehen werden kann.
Einsatzideen für sprechende Taster können sein:
- als „Pendelmedium” (um daheim zu erzählen, was in Kindergarten/Schule erlebt wurde)
- zur Verwendung bei Interaktionsspielen („alle springen/alle singen/alle klatschen”, …)
- für gemeinsames Lesen (siehe UK-Tipp „Mit dem BigMack lesen“)
- zum gemeinsamen Singen (siehe UK-Tipp „Mit dem BigMack singen“)
- Kommandos zu vergeben z.B. dem Therapiehund (siehe Foto)
- um in Form von Plauderplänen zu erzählen (siehe UK-Tipp „Plauderpläne“)
Sprachausgabegeräte, welche mithilfe Augensteuerung oder Kopfsteuerung bedient werden
Augensteuerung (Eyetracking) ist eine Technologie, die genutzt wird, um zu sehen, wohin eine Person auf dem Bildschirm blickt. Die Technologie kann auch eingesetzt werden, um den Computer zu bedienen. Anstatt Maus oder Tastatur können die Augen verwendet werden.
Für Rett-KlientInnen ist es eine großartige Möglichkeit, um durch Blick auf ein Bild am Bildschirm eine Sprachdatei auszulösen, sodass Kommunikation möglich wird.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Einsatz einer Augensteuerung?
Für den Einsatz von Augensteuerung gibt es keine Altersgrenze (weder nach oben noch nach unten), noch eine Fähigkeitsbegrenzung – ganz einfach: wenn das Kind mit Rett-Syndrom verfolgbare Augen hat, dann kann der Lernprozess der Nutzung der Augensteuerung beginnen.
„Wenn wir warten bis ein typisches Baby „bereit” ist zu sprechen, um mit uns zu kommunizieren, wann wäre der richtige Zeitpunkt? Therapeuten, Eltern und PädagogInnen stellen immer wieder folgendes fest: Wenn die Kinder das Gerät aktivieren können und sich absichtlich an der Kommunikation beteiligen, sind sie bereit zu lernen, wie man mit dem Gerät kommuniziert.
Augensteuerung verändert für viele Menschen mit Rett-Syndrom das Leben: es gibt ihnen unabhängigen Zugang zur Sprache und bietet auch eine Plattform zum Erlernen der Kommunikation.
Sollte die Augensteuerung nicht passend sein, besteht auch die Möglichkeit, eine Kopfsteuerung zu versuchen.
Alles in allem haben die verschiedenen Möglichkeiten der Unterstützten Kommunikation den Blick auf die Persönlichkeit und die Entwicklungsmöglichkeiten der lange Zeit als „schwer geistig behindert“ bezeichneten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Lernbeeinträchtigung deutlich verändert. Diese zeigen heute Leistungen, die vor noch nicht allzu langer Zeit als unmöglich erachtet wurden.
Doch bei allen Erfolgen sei auch dazu gesagt, von allen technische Möglichkeiten profitieren die Betroffenen vor allem dann, wenn sie in Verbindung mit einer fordernden pädagogischen Unterstützung im Alltag daheim und der Einrichtung (von Kindergarten über Schule und Tagesbetreuung) eingesetzt werden.
Rett-Syndrom-Augensteuerungs-Studie
- Basic Features of Visual Processing – A pilot Study of EyeTracking”
(Augensteuerungs-Studie von Dr. Djukic „Rett-Syndrome)
Literatur zu UK bei Rett-Syndrom
- AUGENBLICKE – Unterstützte Kommunikation und Rett-Syndrom, herausgegeben von Ursula Braun, Angelika Koch-Buchtmann, Marc-Westphal, (Mitautorin: Romana Malzer, Rett-Mama der ÖRSG) vonLoeper-Verlag, ISBN: 978-3-86059-242-7
- Nicht ohne Sprache – Unterstützte Kommunikation für ein Rett-Mädchen (Angelika Koch), Mechtal-Verlag, ISBN-13: 978-3936469233