Am Samstag, 26.02.2022 veranstaltete Pro Rare Austria zum zehnten Mal den „Tag der seltenen Krankheiten“. Coronabedingt fand diese Veranstaltung auch heuer virtuell, mit mehr als 100 Teilnehmern, statt.
Der Rare Disease Day wird immer um den 28. Februar gefeiert. Mit „Chain of Light“ wird weltweit die Botschaft der Solidarität zu den Menschen mit einer seltenen Krankheit vermittelt. Heuer ist, wie auch im Vorjahr das Riesenrad, das Ars Electronic Center Linz und die Bergisel Schanze in Innsbruck beleuchtet. Zum ersten Mal schließt sich St. Pölten mit dem Klangturm, dem Festspielhaus und der Dreifaltigkeitssäule der globalen Lichterkette an.
Wie schon in den Jahren zuvor, wurde die Veranstaltung von Frau Pamela Grün moderiert. und übergab nach einleitenden Worten und der Vorstellung der Diskussionsteilnehmer an die Obfrau von Pro Rare Austria, Frau Mag. Holzer, welche die Willkommensworte sprach. Videobotschaften übermittelten Nationalpräsident Mag. Wolfgang Sobotka und Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein.
2022 steht der Tag der seltenen Krankheiten unter dem Motto: Share Your Colours! Zeige Deine Farben!
So vielfältig seltene Erkrankungen sind, so „bunt“ und vielfältig sind auch die Geschichten der Menschen, die mit ihnen leben. Das Video zum Aktionstag 2022 macht mit kurzen Statements darauf aufmerksam. https://www.rarediseaseday.org
Pro Rare Austria“ feiert 2022 das 10-jährige Bestehen und steht für die Gleichstellung aller Patient*innen in Österreich mit seltenen Krankheiten. Gleichstellung bedeutet in diesem Fall nicht Gleichbehandlung. „Gleichbehandlung bedeutet, dass jeder einzelne oder Gruppen von Personen gleiche Ressourcen erhält, um sein Leben zu führen. Gleichstellung jedoch bedeutet für einen Menschen mit einer seltenen Krankheit, dass dieser am sozialen Leben teilhaben kann, und dass auf seine besonderen und speziellen Bedürfnisse Rücksicht genommen wird.“ So Obfrau von Pro Rare Austria, Ulrike Holzer.
Dr. Rainer Riedl, Gründer und Ex-Obmann von Pro Rare Austria, sowie Gründer von DEBRA Austria (Schmetterlingskinder), referierte über die 2011 aus der Taufe gehobene „Pro Rare Austria“. Schon im Jahr 2008 fand in Gemeinschaft mit EURORDIS in Wien der erste Tag der Seltenen Erkrankungen am 29.02.2008 statt. Weltweit findet dieser „Rare Disease Day“ am letzten Tag im Februar statt. Um wirksam auf die „Seltenen“ (SE) aufmerksam zu machen, wurde in Wien bis 2016 ein Marsch mit Plakaten und Transparenten durch die Innenstadt mit Abschluss am Heldenplatz veranstaltet. Ab 2017 wurde diese Veranstaltung ins Museumsquartier verlegt.
Pro Rare Austria hat zurzeit 80 Mitglieder. Die Vision ist, den 400.000 betroffenen Menschen in Österreich ein gutes Leben in der Mitte der Gesellschaft zu sichern.
Eine gemeinsame Stimme erhalten Menschen mit seltenen Krankheiten und deren Angehörigen u.a. durch Mitwirkung beim Nationalen Aktionsplan für seltene Krankheiten (NAP.se), dem Projekt „aRAREness“, dem Tag bzw. dem Kongress der seltenen Krankheiten, sowie der „European Conference on Rare Diseases und Orphan Products“ (ECRD).
Die Vision von Pro Rare Austria bis 2030 ist ein Europäischer Aktionsplan zur „Zielsetzung zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit seltenen Erkrankungen, an denen sich alle Länder orientieren können.“ Dazu gehört das Neugeborenen Screening, eine frühe Diagnose (innerhalb 1/2 bis 1 Jahr), damit rechtzeitiger Therapiebeginn, Anzahl der bewilligten Therapien (inclusive alternative Therapien) soll auf 1000 erhöht werden, ein gleichberechtigter Zugang für SE-Patienten in Österreich gewährleistet werden, und die Vulnerabilität soll um 1/3 gesenkt werden.
„Das bedeutet, dass zuerst auf den Menschen, auf ihr Leben und dann erst aufs Geld geschaut wird. Der Therapieerfolg sollte höher bewertet werden als die Kosten dafür. Menschen mit seltenen Krankheiten sind ebenfalls wertvolle Menschen, die nichts dafürkönnen, dass sie mit einer seltenen Erkrankung geboren wurden, bzw. eine teure Therapie benötigen, sofern es überhaupt eine gibt.“ sagte Michaela Weigl, Vorstandsmitglied von Pro Rare Austria und Vorsitzende der österreichischen MPS-Gesellschaft (MukoPolySaccaridose).
Wichtige Punkte sind jedoch auch Pflege, Pflegegeld, School Nurse, Community Nurse und eine reibungslose Erstattung für Medikamente, die im Erstattungskodex der ÖGK aufgelistet sind.
Michaela Weigl erklärte in ihrem Vortrag über die Enzymersatztherapie am Beispiel von MPS, wie schwierig es ist eine Diagnose, die dazugehörige Therapie wie auch eine Kostenübernahme zu bekommen. Letzteres ist abhängig vom Point of Service. Des Weiteren erläuterte sie, dass die Kosten für eine Heimtherapie dem System wesentlich billiger kommen. Der Nachteil für die Patient*innen in Heimtherapie ist jedoch, dass nicht unerhebliche Rezeptgebühren anfallen. In gewissen Fällen ist eine Rezeptgebührenbefreiung möglich welche vom Familieneinkommen abhängt.
Die Medikamente für die Enzymersatztherapie befinden sich alle in der „No Box“, welche sich im Boxensystem des Erstattungskodex (EKO) vom Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger befindet.
Im EKO sind alle zugelassenen und erstattungsfähigen Arzneimittel, auf Empfehlung des beratenden Gremiums der Heilmittelverordnung, gelistet. In der „Grünen Box“ sind diese Medikamente frei verschreib bar, diejenigen in der „Gelben Box“ sind chefarztpflichtig. In der „Roten Box“ sind die Medikamente, die sich in der Evaluierungsphase befinden. Medikamente in der „No Box“ werden nur in seltenen und in gut begründeten Fällen – wenn es keine anderen Arzneimittel gibt und es therapeutisch zwingend notwendig ist – verschrieben und können erst dann bewilligt werden.
Mag. Dominique Sturz, Obfrau Stellvertreterin von Pro Rare Austria, machte am Beispiel vom Usher Syndrom deutlich, warum eine gesicherte Frühdiagnose so wichtig ist. Aus Erfahrung am Beispiel ihrer Familie zeigte sie auf, dass es einen großen Unterschied macht, ob eine gesicherte Diagnose innerhalb weniger Monate vorliegt oder Jahre dauert. Im Falle ihrer Familie sogar sechszehn Jahre.
Aus dem Blickwinkel der betroffenen Familien ist eine gesicherte Frühdiagnose deshalb wichtig, da Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden können und die Betroffenen Gewissheit über ihre Krankheiten erhalten. Im Anschluss stellen sich für die Familien Fragen: Sind andere Familienmitglieder davon betroffen, welche Zukunftsaussichten gibt es, u.vm. Hier geht es um mögliche Vererbung, Familienplanung sowie um eine Prognose der Zukunftsperspektive. Mit einer gesicherten Frühdiagnose erhalten die Betroffenen einen Überblick über Therapieoptionen, Forschung und klinische Studien, sofern diese vorhanden sind. Ebenso sind die psychologischen und sozialen Aspekte nicht zu vernachlässigen.
„Ein gutes Aufklärungsgespräch vor und nach einer Diagnose bzw. einer genetischen Beratung ist sehr wichtig“, erklärte Mag. Sturz.
Dr. Rainer Riedl sprach in seinem zweiten Vortrag über die von ihm initiierte Gründung des Epidermolysis bullosa (EB) Hauses neben der Univ-Klinik für Dermatologie Salzburg. EB ist eine genetische Erkrankung, die sofort nach der Geburt auftritt. DEBRA hat 500 Patient*innen in Österreich und benötigte eine kompetente medizinische Versorgung, die in dem EB-Haus weltweit einzigartig verwirklicht wurde.
Zum Schluss bedankte sich Pamela Grün bei allen Teilnehmern und verabschiedete sich mit den Worten „Hoffentlich können wir uns nächstes Jahr wieder persönlich im Museumsquartier sehen“.
Für die Österreichische Rett-Syndrom Gesellschaft nahmen Elisabeth Nimmerrichter und Stella Peckary daran teil.
https://www.prorare-austria.org/
https://www.pro-retina.de/netzhauterkrankungen/usher-syndrom/krankheitsbild
https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/?contentid=10007.849156&portal=oegksportal
https://www.debra-austria.org/
https://www.debra-austria.org/schmetterlingskinder/spezialklinik-eb-haus-austria/
www.prorare-austria.org/news/aktuelles/news/rare-disease-day-veranstaltungstipps-und-beitraege/
www.immundefekte.info/immundefekt/aktuelles/meldungen/02.2022-rare-disease-day-2022.php
https://www.meduniwien.ac.at/hp/neugeborenen-screening/